Vom spielerischen Lernen bis zur Selbstreflexion

Interview mit Frau Prof. Dr. rer. pol. Eva-Maria Lewkowicz
Unser computergestütztes Management-Planspiel Fort Fantastic wird sowohl von Unis als auch Betrieben eingesetzt. Frau Prof. Dr. rer. pol. Eva-Maria Lewkowicz nutzt Fort Fantastic in der Hochschule mit ihren Studenten und plant dies nun auch für Coachingzwecke bei der Arbeit mit Führungskräften. Im Interview verrät sie uns welche Erkenntnisse sie, Studenten, Coaches und Manager aus diesem Planspiel ziehen können.
Sie sind Professorin für Wirtschaftsrecht an der Westfälischen Hochschule und wenden dort Fort Fantastic (FF) bereits an. Mit welchen StudentInnen spielen Sie FF?
Ich spiele Fort Fantastic in diesem Semester das erste Mal mit Studierenden im nationalen Studiengang Wirtschaftsrecht im Modul „Organisation: Theorie und Praxis“. Die Studierenden sind im 5. Regelsemester, also ihrem letzten Semester vor der Bachelorarbeit.
Wieso haben Sie sich dazu entschieden FF mit Ihren StudentInnen zu spielen, welchen Lernfortschritt haben Sie erwartet bzw. welche Vorteile sehen Sie zu alternativen Lehrmethoden?
Fort Fantastic bietet Erfahrungslernen an. Das kommt einfach tiefer an als das Lernen expliziter Inhalte über Zuhören und Lesen. So lehre ich im ersten theorieorientierten Teil die Grundlagen der Organisationslehre, also Spezialisierung und Koordination. Dabei diskutieren wir unter anderem, welche Aufbau-Organisationen sich für welche Unternehmen mit welcher strategischen Priorisierung eignen. Wenn ich dann ein Beispiel konstruiere und danach frage, ob sich hier eine funktionale oder eine divisionale Organisationsstruktur anbietet, ernte ich regelmäßig fragende Blicke, zögerliche Antworten, bemühte Versuche, extremes Nachdenken, Blättern in den Unterlagen etc.
Wenn die Studierenden aber die ersten Runden Fort Fantastic gespielt haben, kann ich die Frage anders stellen: Was für eine Organisationsstruktur hat eigentlich das Unternehmen Fort Fantastic? Und warum? Was ist gut daran? Und was wäre problematisch, wenn es anders wäre? Und schwupp, melden sich alle und sprechen durcheinander. Sie können dann sehr viel auch Theorieorientiertes in ihren Worten ganz einfach zurückgeben, haben es praktisch verstanden und auch ohne Lernen internalisiert. Genauso verhält es sich mit der einfachen Frage: Was ist eigentlich ein Prozess? Da war immer Schweigen im Walde und nun gibt es eine klare Vorstellung.
Wie sind die Rückmeldungen Ihrer Studenten, geben sie Ihnen das erhoffte Feedback?
Ja, wie bereits beschrieben, merke ich, dass sie in dem Doing in der Anwendung tatsächlich lernen und zwar einfacher, spielerischer in gewisser Weise aber auch intuitiver. Obendrein macht es Ihnen viel Spaß und sie fangen auch an, über Koordinationsinstrumente nachzudenken, etwa Selbstabstimmung, persönliche Weisung und Koordination durch Programme zueinander in einen Zusammenhang zu setzen. Die Inhalte der Organisationslehre erscheinen ihnen einfach nicht mehr so blutleer.
Ich hörte, Sie haben FF bereits mehrmals im Unterricht angewendet. Unterscheiden sich die FF Seminare bzw. deren Ergebnisse von Mal zu Mal, wenn Sie sie durchführen – wenn ja, inwiefern?
Ich spiele noch das erste Mal. Wir haben die einzelnen Runden auf das Semester aufgeteilt, so dass wir erst am Ende alle geplanten fünf Runden gespielt haben werden. Bei diesem „ersten Mal“ ist auch meine Erfahrungskurve sehr steil! Ich muss ja auch erst einmal verstehen, wie alles zusammenhängt, wo sich die Studierenden leicht tun, wo sie sich schwer tun, wie ich mit Fluktuation umgehen kann, wie konkurrenzorientiert oder kooperationswillig die Teilnehmer sind usw. Und das technische Handling ist zwar nicht sehr kompliziert, will aber auch erst einmal bewältigt werden.
Bei FF sind Gefühle wichtig für den Spielverlauf, das Miteinander im Team und die Selbsterkenntnisse, die Teilnehmer gewinnen. Sie sind Mitherausgeberin des Buches „Führung und Gefühl – Mit Emotionen zu Authentizität und Führungserfolg“. Findet FF Ihrer Meinung nach hier Anknüpfungspunkte zu den Inhalten Ihres Buchs?
Absolut! Das ist der eigentliche Grund, warum ich dieses Spiel in die Lehre integriere. In der BWL ist es ja immer so eine Sache, über Gefühle zu sprechen. Immerhin dürfen wir schon ungestraft über Kommunikation sprechen (lacht). Aber die Wahrheit ist, dass jede Arbeit, selbst die eines Autors, am Ende in irgendeine Form von Zusammenarbeit mündet. Es geht also immer auch um Beziehungen. Und Beziehungen wecken Gefühle. Es ist einfach nicht wahr, dass in Arbeitsbeziehungen Gefühle keinen Platz haben. Es sind nur eben andere Gefühle und wir gehen im Arbeitskontext anders damit um.
Das Spielen von Fort Fantastic bietet auf sehr verdichtetem Raum entsprechende Erfahrungen. Die Spieler merken, wo sie glücklich sind und stolz, wo ärgerlich und trotzig, wo hilflos oder enttäuscht, wo sie in Flow geraten, wo Sie Anerkennung bekommen, oder wo ihnen alles über den Kopf zu wachsen droht und wie sie darauf reagieren. Und sie bekommen mit, dass ihre Kommilitonen unter Umständen ganz anders reagieren. Damit sind zwei ganz wesentliche Ich-Funktionen angesprochen: 1. Ich erkenne die Unterschiedlichkeit von Menschen und 2. ich erkenne meine Gefühle, statt nur Affekte auszuagieren, und kann sie dann konstruktiv nutzen.
In der Lehre mit Studierenden schult sie das für die Praxis. Das ist doch der eigentliche Unterschied zwischen Theorie und Praxis, dass wir bei Letzterer immer mit unserer ganzen Person da hinein geraten. Da kann man nichts gegen machen. Und es ist auch nicht schlimm. Aber es ist doch schön, wenn man darauf vorbereitet ist.
Sie haben Ideen FF über den Hochschulgebrauch hinaus einzusetzen. Was schwebt Ihnen vor?
Da ich in Düsseldorf im Institut für Psychodynamische Organisationsentwicklung und Personalmanagement e.V. auch in der Ausbildung von Business-Coaches engagiert bin, sehe ich natürlich auch durch diese Brille auf das Spiel. Oder eben auch in der Führungskräfteentwicklung.
Durch das eigene Stresserleben, das Fort Fantastic den Teilnehmern im geschützten Raum bietet, zielt es entsprechend moderiert nicht nur auf die Selbstreflexion sondern öffnet damit auch das Fenster zur Empathie. Es schult die Eigen- und Fremdbeobachtung, weckt ein Gefühl für die Diskrepanz zwischen Selbstbild und Fremdbild, zeigt die eigenen Stärken und Schwächen auf – alles Eigenschaften, die für Führungskräfte extrem wichtig sind.
Zudem können Situationen entstehen, die einem deutlich zeigen, wie fix man manchmal reagiert hat, eben ohne Nachzudenken, aber doch aus gutem Grund: Das eigene Unbewusste steuert vielleicht mehr, als wir gemeinhin annehmen. Und Führungskräfte können in diesem Kontext auch lernen, nach welchen Werten sie eigentlich handeln. Was finden Sie denn gut – der erste zu sein? Nicht pleite gegangen zu sein? Einen schönen Park zu haben? War das erfüllend, so unter Druck zu stehen oder eher unangenehm? Wie denken die Teilnehmer eigentlich über die Kollegen, die nicht so schnell sind oder über die, die schneller sind? Usw.
Sie können sich auch fragen, welches Menschenbild sie eigentlich bei ihren Kollegen oder den Kunden zugrunde legen, was sie also denken, wie Menschen funktionieren.
Fort Fantastic verstehe ich als ein Selbstexperiment. Es ist ein vergleichsweise strukturiertes Selbstexperiment, z.B. in Abgrenzung zu anderen Settings wie analytische Selbsterfahrungsgruppen. Ein Selbstexperiment, das dennoch einen inneren Prozess anstoßen kann. Aber eben in kürzerer Zeit und vielleicht auch weniger explizit. Manches kann man – gerade in Führungsseminaren – auch einfach mal stehen lassen. Es wirkt ja dennoch nach. Das genau ist doch mit Erfahrungslernen gemeint.
Erhoffen Sie sich neue Erkenntnisse oder die Bestätigung Ihrer Thesen zu Emotionen im Management, durch den Einsatz von FF im erweiterten Rahmen?
Wenn ich weiter bin und mehr Erfahrung habe, und als Ausbilderin erst einmal in die Position gelange, dass ich selbst während der Simulation nicht mehr unter Druck stehe und das Setting im Griff habe, dann wird es ja erst interessant, weil erst dann kann ich beobachten und analysieren. Wir beschreiben Phänomene und belegen sie an Fallbeispielen. Dazu bietet Fort Fantastic doch viele Möglichkeiten.
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